Die propriozeptiven Leitbahnen
Nun da Sie die Rezeptoren kennen, die propriozeptive Signale übertragen, kommen wir zur zweiten wichtigen Unterscheidung bezüglich der bewußten oder unbewußten Wahrnehmung dieser Informationen : über welche Leitbahnen werden die Signale vom Rückenmark ins Gehirn geführt ?
Tractus spinocerebellaris : der Name verrät es uns (zumindest denen, die Latein und/oder Anatomie gelernt haben), er übermittelt Informationen vom Rückenmark ins Kleinhirn. Das Kleinhirn ist zentral für die Feinabstimmung von Bewegungen, die Aufrechterhaltung des Gleichgewichts und die motorische Koordination. Da diese Funktionen unbewußt ablaufen, können zwar alle Propriozeptoren Input über diesen Tractus liefern, aber es sind überwiegend die Golgi-Sehnenorgane sowie Signale aus Muskeln und Gelenken, die über langsamere Nervenfasern laufen.
Es wird weiterhin unterschieden zwischen
Tractus spinocerebellaris anterior : die Synapsierung erfolgt in den Laminae V, VI und VII der dorsalen Hörner des Rückenmarks. Die Signale kreuzen auf die gegenüberliegende Seite des Rückenmarks und steigen dann kontralateral bis zur Medulla Oblongata, wo sie wieder zur ursprünglichen Seite zurück kreuzen. Sie erreichen das Kleinhirn also ipsilateral (gleichseitig).
Diese Leitbahn übermittelt hauptsächlich Informationen über die dynamische Position und Bewegung der Gliedmaßen.
Tractus spinocerebellaris posterior : die Synapsierung erfolgt in den gleichen Laminae wie beim spinocerebellaris anterior. Die Signale kreuzen aber nicht und laufen direkt ins Kleinhirn.
Der spinocerebellaris posterior liefert detaillierte Informationen über die statische Position der Gliedmaßen und den Muskeltonus.
Es existieren auch noch der Tractus spinocerebellaris rostralis und der Tractus cuneocerebellaris. Sie entsprechen den beiden oben genannten Leitbahnen, übermitteln aber hauptsächlich Informationen der oberen Körperhälfte und Extremitäten.
Fasciculus gracilis und Fasciculus cuneatus :diese Leitbahnen übertragen respektiv propriozeptive Informationen der unteren Körperhälfte (bis ca. Th 7) bzw. der oberen Körperhälfte.
Beide erhalten Signale aus Axonen der dorsalen Wurzelganglien. Diese Signale verlaufen ipsilateral bis zur Medulla Oblongata zu den entsprechenden Nuclei gracilis und cuneatus. Ab dort kreuzen die Leitbahnen als sogenannter medialer Lemniscus zur gegenüberliegenden Körperseite, bevor sie zum Thalamus und anschließend zum Somatosensorischen Kortex gelangen.
Wie aus den Stationen Thalamus und Somatosensorischen Kortex abzuleiten ist, handelt es sich also um Informationswege, die zur bewußten Propriozeption beitragen.
Zusätzliche Leitbahnen
Der Tractus spinothalamicus : obwohl nicht direkt Leitbahn für propriozeptive Informationen, liefert er dennoch einige Informationen wie grobe Berührung und Druck, die die generellen Informationen zur Lage unseres Körpers im Raum ergänzen können. Wir werden diese Leitbahn noch eingehen sehen, wenn es um das Thema Nozizeption und Schmerz geht.
Der Tractus vestibulocerebellaris schließlich liefert Information vom Gleichgewichtsorgan des Innenohres zu den Vestibularis Kernen der Medulla Oblongata. Von dort laufen die Informationen ipsilateral direkt ins Kleinhirn. Diese Leitbahn übermittelt essentielle Informationen über die Position des Kopfes und ist entscheidend für eine fein gesteuerte Motorik und das Gleichgewicht.